Musikalische Bildung und ästhetische Erfahrung
svenja-wiberg
Created on May 23, 2022
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Transcript
Grundlagen der Musikpädagogik und -psychologieAnna Esenwein & Svenja Wiberg
Musikalische Bildung & ästhetische Erfahrung
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2.1 Begriffserklärung2.2 ästhetische musikalische Erfahrungen2.3 musikalische Erfahrung im LehrplanPLUS2.4 Umsetzung im Unterricht2.5 Inszenierung ästhetischer Erfahrungsräume
1.1 Der traditionelle Begriff1.2 Der aktuelle Begriff1.3 Merkmale von Bildung1.4 Allgemeinbildung 1.5 materiale und formale Bildung 1.6 Der musikalische Bildungsbegriff1.7 Defintionen im Vergleich1.8 musikalische Bildung im LehrplanPLUS
Gliederung
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1. musikalische Bildung
2. ästhetische Erfahrung
musikalische Bildung
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Was ist musikalische Bildung? Ab wann ist ein Mensch musikalisch gebildet?
Der traditionelle Bildungsbegriff
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- Zusammenhang mit dem Schul-oder Hochschulabschluss
- Anhäufung von Wissen
- Statussymbol und Abgrenzungsmerkmal
- Resultat & ständiger Bemühungsprozess
- Kritik in den 1960er und 1970er Jahren: weltfremd, altmodisch, unpolitisch, ideologieverdächtig und zu idealisierend-überhöht
Der aktuelle Bildungsbegriff
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- gegenwärtiger Bildungsdiskurs: Fundierung der beruflichen Existenz und die Förderung gesellschaftlichen Verhaltens
- Bildung ist kein rein kognitiver, sondern auch ein lebenslang- ganzheitlicher sozial-emotionaler und interaktiver Prozess
Selbstbildungsaspekt
- subjektive Aneigung von Kulturinhalten
- Mensch wird zu Freiheit, verantwortlicher Selbstbestimmung und damit zu kritischer Distanz gegenüber Fremdbestimmung befähigt werden
Sozialaspekt
- Bildung vollzieht sich in Auseinandersetzung mit anderen Menschen
- Führt zu verantwortetem Handeln auf der Grundlage von Toleranz, Kritikfähigkeit und Solidarität
Merkmale von Bildung
Sachaspekt
- Entwurf von Lebenssinn duch Beschäftigung mit Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft, Technik und Kunst
- Erwerb einer geistigen Grundhaltung, die Kenntnisse, Einsichten, Einstellungen, Wertungen und Urteile im Handeln aufscheinen lässt
Allgemeinbildung
- wird in einem dreifachen Sinn verstanden
- demokratisches Bürgerrecht
- Vermittlung von "Allgemeinem"
- umschließt alle Dimensionen menschlicher Fähigkeiten
Abb.: Materiale und formale Bildungstheorien (aus: Jank/Meyer,1991, S.143)
Materiale und formale Bildung
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Der musikalische Bildungsbegriff
- umschließt sowohl pädagogische als auch musikbezogene Überlegungen
Der musikalische Bildungsbegriff - Bildsamkeit durch Musik
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- historische Verwendungsweise: Formen und Gestalten des inneren Menschen durch Musik
- Zusammenhang von Bildsamkeit und Bilden: ohne die Prämisse der Bildsamkeit, könnte Bildung nicht stattfinden.
- Bildung erscheint vor allem als Bildung des Gefühls
- bildene Wirkung bei Gesang stärker als bei Instrumentalmusik
- Musikpädagogik im 18./19. Jahrhundert: Bildung fällt umstandslos mit Erziehung zusammen
Musikalische Bildung seit dem Ende des 20. Jahrhunderts
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- Betonung eines sozialen Distinktionscharakter des Bildungsbegriffs
- Suchen von Ersatzbegriffen wie z.B. Lernen, Sozialisation etc.
- Mitte der 1980er Jahre: Neuentdeckung des Bildungsbegriffes in der Erziehungswissenschaft
- Musik ist kein Set an potentiell bildungsrelevanten Kunstwerken, sondern vor allen Dingen eine Form menschlicher Tätigkeit
- Tätigkeit ist bildungsrelevant da sie zum Gesamt der individuellen Lebenspraxis in Beziehung gesetzt wird bzw. werden kann --> dies kann nur vom Individuum selbst vollzogen werden
- keine zweite Person kann darüber urteilen, ob musikalische Bildung gelungen ist oder nicht
- Jedoch gibt es diskursive Momente der Rechtfertigung und Verantwortung , durch die musikalische Bildung intersubjektiv anschlussfähig sein sollte
- das "Bild" von Musik ist nicht statisch
- musikalische Bildungsbegriff wird sowohl auf Objektseite als auch auf Subjektseite neu dimensioniert
Defintionen im Vergleich
"1. Im Begriff musikalische Bildung erscheint Musik als ein Bereich von Tätigkeitsformen, den Menschen in voller Inhaltlichkeit für sich definiert haben. Sie haben für sich ein immer wieder überholbares, erweiterungsfähiges und vertiefungsfähiges Bild von Musik entwickelt und dieses zu sich selbst in wesentliche Beziehungen gesetzt2. Sie sind in der Lage, ihre spezifische Konstitution des Gegenstandsbereichs, die in einem Bild von Musik kulminiert, zu rechtfertigen und zu verantworten.3. Sie sind gewillt dieses Bild von Musik in sich zunehmend zu realisieren, seine Konturen zu erweitern und diese auszufüllen, da sie von der substanziellen Bedeutung der Musik für die eigene Lebenspraxis überzeugend sind. " (Kaiser, 1998)
- enger Zusammenhang zwischen Bildung und Erfahrung
- musikalische Bildung als offener Prozess, dessen Gelingen von ästhetischen Erfahrungen stattfindet
Defintionen im Vergleich
"Musikalische Bildung findet statt, wenn Menschen in musikalischer Praxis ästhetische Erfahrungen machen. Pädagogisches Handeln, dem an musikalisch-ästhetischer Bildung gelegen ist, muss vielfältige Räume für musikalisches Handeln eröffnen in denen ästhetische Erfahrungen möglich sind, angeregt und unterstützt werden." (Rolle, 1999)
- musikalische Bildung vollzieht sich als Form der Interaktion
- Begriff gewinnt eine intersubjektive bzw. soziale Dimension
- musikalisch gebildet, ist derjenige, der über die geeigneten Fähigkeiten verfügt , an musikbezogenen Interaktionen dieser Art kompetent teilzunehmen
Defintionen im Vergleich
"Musikalische Bildung vollzieht sich in der Emergenz neuer und neuartiger (Möglichkeiten) musikbezogener Bedeutungszuweisung, die auf musikalische und musikbezogene Schemata rekurriert, sowie in der Emergenz neuer und neuartiger (Möglichkeiten) musikbezogener Bedeutsamkeit(en) in (zwischenleiblichen) musikalischen und musikbezogenen Interaktionen" (Orgass, 2007)
musikalische Bildung im LehrplanPLUS
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- Beitrag zur allgemeinen und kulturellen Bildung sowie zur Persönlichkeitsentfaltung
- Entdeckung von individuellen Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks
- Beitrag zu persönlichem Ausgleich und emotionaler Balance
- Stärkung von motorischer und sprachlicher Entwicklung, Konzentrationsfähigkeit, Disziplin und Ausdauer, soziales Lernen und Kreativität
- Kennenlernen von Mitschüler*innen durch gemeinsames Klangerlebnis
- Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf: individuelle Lernangebote und Hilfestellungen
- Kinder mit musikalischer Begabung: Möglichkeit des Einbringens von Kompetenzen
ästhetische Erfahrungen
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Was sind ästhetische Erfahrungen?
Begriffserklärung
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- "aistehtikos" (gr.) = wahrnehmbar
- „Erfahrung ist ein Prozess des Durchdringens einer Sache, um sie und das, worauf sie verweist sowie sich selbst zu verstehen“ (Christoph Richter)
Begriffserklärung ästhetische Erfahrungen
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- „Ästhetische Erfahrung bezieht sich nicht auf Kunsterfahrung, sondern ist ein Modus, Welt und sich selbst im Verhältnis zur Welt und zur Weltsicht anderer zu erfahren“(Otto 1994)
Ästhetisch-musikalische Erfahrung
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- Schlüsselbegriff der Musikpädagogik
- Hörer bringen immer Vor-Erfahrungen mit
Ästhetische- musikalische Erfahrung
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- Wann handelt es sich um eine ästhetische Musikpraxis?
- Nicht, solange es beim Musikmachen nur darum geht, Töne im vorgegebenen Tempo und in der richtigen Reihenfolge abzuspielen --> erst, wenn die Musizierenden der Musik Ausdruck verleihen
Ästhetische- musikalische Erfahrung
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- Wann handelt es sich um eine ästhetische Musikpraxis?
- Nicht, solange es beim Komponieren nur darum geht, einem Schema zu folgen --> erst, wenn die Musiker Gestaltungsspielräume nutzen und selbstständige Entscheidungen treffen, wie etwas besser klingt
Ästhetische- musikalische Erfahrung
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- Wann handelt es sich um eine ästhetische Musikpraxis?
- Nicht, solange Musik nur gehört wird, um mitzuzählen ob das Thema in Takt 24 oder 25 einsetzt --> erst, wenn die Hörer sich von der Musik berühren lassen
Ästhetische- musikalische Erfahrung
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- Wann handelt es sich um eine ästhetische Musikpraxis?
- Nicht, solange nur über Musik gesprochen wird, als sei sie ein Objekt --> erst wenn die Sprecher sich über ihre eigene Wahrnehmung äußern
Ästhetische- musikalische Erfahrung
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- Merkmale:
- Empfindungsaspekt
- Propoerionsaspekt
- Imaginationsaspekt
- Selbstbezüglichkeitsaspekt
- Überraschungseffekt
- Verfremdungsaspekt
- Bedeutungsaspekt
- Bewertungsaspekt
- Offenheitsaspekt
- Selbstverständnis des Faches Musik und sein Beitrag zur Bildung
- Einblicke in bislang unbekannte ästhetische Erscheinungen ermöglichen
- Weiterentwicklung individueller Kompetenzen
- Durch Austausch und Reflexion eröffnen sich neue ästhetische Sichtweisen
Musikalische Erfahrung im LehrplanPLUS
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Musikalische Erfahrung
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- Erfahrungsformen:
- Bewusstes Wahrnehmen eines geordneten Sinnzusammenhangs struktureller Momente von Musik
- Bedeutungsgehalt
- subjektive Bedeutung
Umsetzung im Unterricht
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- Wir machen, erfinden, hören, sprechen über Musik im Unterricht
- nicht nur Vermittlung propositionalen Wissens über Musik
- Entscheidend: wie wird mit Musik umgegangen
- Voraussetzungen: Zeit, Raum und genügend Handlungsspielraum
- am besten offene Unterrichtsmethoden (Projektunterricht, Gruppenarbeit)
- eigene Produktion von Musik (Komponieren, Singen, Spielen, Tanzen, Hören, Sprechen, ...)
- Mitbestimmung und Eigeninitative der SuS
Inszenierung ästhetischer Erfahrungsräume
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ästhetische Erfahrung kann nicht direkt mitgeteilt/vermittelt werden. Musik gewinnt subjektive Bedeutung in aktiver Auseinandersetzung
Diskussionsfragen
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- Habt ihr ästhetische Erfahrungen im Musikunterricht gemacht und würdet ihr sie im eigenen Unterricht ermöglichen?
- Sollte jede*r Schüler*in musikalisch gebildet werden oder sollte es Musik nur als Wahlfach geben?
Quellen
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BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND KULTUS, WISSENSCHAFT UND KUNST: LehrplanPLUS Grundschule. Lehrplan für die bayerische Grundschule. 2014. https://www.lehrplanplus.bayern.de/sixcms/media.php/107/LehrplanPLUS%20Grundschule%20StMBW%20-%20Mai%202014.3767684.pdf - Letzter Zugriff: 27.05.2022HEß, FRAUKE: Ästhetische Erfahrung. In: DARTSCH, MICHAEL/KNIGGE, JENS/NIESSEN, ANNE/PLATZ, FRIEDRICH/STÖGER, CHRISTINE (Hrsg.): Handbuch Musikpädagogik. Grundlagen - Forschung - Diskurse. Münster: Waxmann, 2018, S. 181‑187JANK, WERNER: Inzinierung ästhetischer Erfahrungsräume. In: JANK, WERNER (Hrsg.): Musik-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor, 4. Aufl. 2012KRAEMER, RUDOLF-DIETER: Musikpädagogik. Eine Einführung in das Studium. Augsburg: Wißner, 2., verbesserte Auflage 2007VOGT, JÜRGEN: Musikalische Bildung. In: DARTSCH, MICHAEL/KNIGGE, JENS/NIESSEN, ANNE/PLATZ, FRIEDRICH/STÖGER, CHRISTINE (Hrsg.): Handbuch Musikpädagogik. Grundlagen - Forschung - Diskurse. Münster: Waxmann, 2018